UPDATE - 21. August 2024
Nun haben wir es schwarz auf weiß: Baden-Württemberg wird beim Wasserstoff-Kernnetz vom Bund krass benachteiligt. Das geht aus der
heutigen Antwort der Bundesregierung auf meine Nachfrage zur Verteilung der im Wasserstoff-Kernnetz vorgesehenen Leitungen auf die einzelnen Bundesländer hervor:
Niedersachsen hat demnach mehr als viermal so viel Wasserstoff-Leitungen wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen mehr als drei Mal so viel. Schon
bei der absoluten Zahl der Leitungskilometer landen wir nur auf Platz 7 der Bundesländer. Noch viel schlechter schneiden wir ab, wenn man das ins Verhältnis zur Fläche setzt. Dann landen wir auf
dem zweitletzten Platz vor Mecklenburg-Vorpommern. Setzt man zusätzlich unseren Anteil von rund 20 % an der Industrieleistung und 15 % an der Wirtschaftskraft ins Verhältnis, dann haben wir
vollends die rote Laterne.
Die Begründung der Bundesregierung dazu ist der blanke Hohn: Sie verweist auf die ungleiche Verteilung der Industriezentren in Deutschland und
führt dazu aus, es könne beispielsweise ein flächenmäßig kleineres Bundesland über mehr Industriekunden verfügen als ein großflächiges Bundesland. In Baden-Württemberg ist aber das Gegenteil der
Fall: Bei 10 Prozent der Bundesfläche kommen 20 Prozent der industriellen Wertschöpfung aus dem Südwesten: Große Fläche, starke Leistung! Baden-Württemberg trägt als starkes Industrieland
überproportional zum Erfolg der deutschen Wirtschaft bei.
Zudem verweist die Bundesregierung auf die Anbindung von Importrouten und die Verteilung von den Importpunkten entlang der Grenzen zu den
Nachbarländern. Dies sei ein Grund dafür, dass die Anzahl der Leitungskilometer pro Fläche in den Bundesländern mit Importanbindungen höher liege als in anderen Bundesländern. Schon in der
Antwort vom 1. August auf meine Anfrage zur regionalen Ausgewogenheit hatte das Bundeswirtschaftsministerium ausgeführt, das „vergleichsweise ,engmaschig‘ geplante Netz im Nordwesten
Deutschlands“ sei „eine Voraussetzung dafür“, dass neben dem dort erzeugten Wasserstoff „auch die Anlandungen über Importkorridore (z.B. aus Norwegen, Dänemark, den Niederlanden)
weitertransportiert werden können - beispielsweise in Verbrauchszentren im Westen und Süden“. Aber derartige Importe sollte es nach den Plänen der Bundesregierung doch auch aus dem Süden geben,
etwa aus Portugal, Spanien und Italien. Sie sollten nach Deutschland kommen über Frankreich, Österreich und die Schweiz - allesamt Nachbarländer Baden-Württembergs. Auch hier muss dann doch die
„Anlandung“ mit entsprechendem Anschluss an die Infrastruktur sicher gestellt werden. Der Hinweis auf Importe aus Nord- und Westeuropa kann also nicht als Rechtfertigung für die
Nordlastigkeit des Netzes herhalten. Er ist vielmehr ein weiterer Beleg für die Nord-Süd-Schieflage bei deutscher Infrastruktur und europäischen Partnerschaften.
Die Bundesregierung ist jetzt in der Verantwortung. Wir erwarten vom zuständigen Bundeswirtschaftsminister, dass er für ein ausgewogenes
Wasserstoff-Netz sorgt. Es dürfen keine Wasserstoff-Wüsten im Südwesten entstehen. Deshalb muss jetzt Robert Habeck persönlich ran. Es geht um Wasserstoff-Gerechtigkeit für faire Perspektiven in
ganz Deutschland - für klimaneutrale Industrie, für klimaneutrale Energieerzeugung, für Innovationen in allen Bereichen.
Die Bundesregierung versucht nun, sich aus der Verantwortung zu ducken und den Fernleitungsnetzbetreibern die Verantwortung für diese krasse
Schieflage in die Schuhe zu schieben. Genau das beabsichtigt ja das Bundeswirtschaftsministerium, mit dem Satz, die „konkrete Modellierung des Netzes„ gehe „auf die Fernleitungsnetzbetreiber
zurück.“ Das werden wir Robert Habeck und der Bundesregierung nicht durch gehen zu lassen.
Denn die Bundesnetzagentur konzipiert das Wasserstoff-Kernnetz im Auftrag der Bundesregierung und mit der Federführung von Robert Habeck. Er selbst
hat bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Kernnetz-Entwurfs die Deutschland-Karte mit dem dünnen Ende im Südwesten in die Kameras gehalten. Wasserstoff-Gerechtigkeit in Deutschland ist eine
hochpolitische Frage. Deshalb ist Robert Habeck hier in der Pflicht als zuständiger Minister und die gesamte Bundesregierung in ihrer Gesamtverantwortung. Bis zum 22. September ist noch
Zeit. Dann entscheidet in dem beim Bundeswirtschaftsministerium verorteten Verfahren die Bundesnetzagentur und macht einen Knopf dran. Wenn bis dahin nichts passiert, wird Baden-Württemberg
abgehängt. Deshalb erwarten wir jetzt eine klare politische Intervention. Wenn Robert Habeck von den „Autobahnen des Wasserstoffs“ spricht, in weiten Teilen Baden-Württembergs aber nicht einmal
Feldwege ankommen, dann kann er das doch nicht einfach laufen lassen!
In einer Pressemitteilung vom 16. August 2024 kritisierte ich die Antworten der Bundesregierung auf meine schriftlichen Fragen zum Wasserstoff-Kernnetz, die ich Anfang August eingereicht hatte. Zur Frage nach der regionalen Verteilung antwortete die Bundesregierung nur unzureichend und verwies auf die öffentlich zugänglichen Daten zum Antragsentwurf. Diese habe ich für Baden-Württemberg gemeinsam mit meinem Team ausgewertet. Nachfolgend finden Sie meine Pressemitteilung, die Antworten der Bundesregierung auf die schriftlichen Fragen sowie eine Übersichtstabelle zu den Wasserstoff-Kernnetzprojekten in Baden-Württemberg sowie eine Auswertung der Umsetzungszusagen.